Silvester in Japan

„Weiter gehen, weiter gehen, hier gibt es nichts zu sehen!“ – Ein Japanischer Polizist regelt den Besucherstrom bei einem großen Feuerwerk in Tokyo

Böllerverbot zu Silvester – In Japan kein Problem

Während in Deutschland ein Böllerverbot zu Silvester vereinbart wurde, wäre das in Japan kein Thema für eine Diskussion gewesen. Denn Silvester werden in Japan keine Feuerwerke und Kracher gezündet! Obwohl für Japaner der Jahreswechsel – der übrigens genau wie bei uns am 31.12. gefeiert wird – das wichtigste Familienfest des Jahres darstellt, hätte ein Feuerwerksverbot in Japan also keinerlei Auswirkungen auf die Festlichkeiten.

Denn anders als bei uns in Europa, ist Silvester in Japan ein stilles Fest für die Familie, das vor allem ruhig gefeiert wird. Und außerdem ein Fest, das nicht schon am nächsten Tag wieder zu Ende ist, sondern drei Tage am Stück begangen wird. Wie ich typische japanische Silvester- und Neujahrsfeierlichkeiten erlebt habe, beschreibe ich hier.

NHK Silvestershow: Rot gegen Weiß

Ein Highlight für viele ist – natürlich neben dem leckeren Essen – die traditionelle Silvester Gala „Kohaku Utagassen“ des öffentlich-rechtlichen Fernsehsender NHK. Frei übersetzt etwa „Die rot-weiße Liederschlacht“. Eine Musiksendung, in der seit 1951 aktuelle und langjährige japanische Showgrößen gegeneinander in Wettstreit treten. Die rote Gruppe der Musikerinnen gegen die weiße Gruppe der männlichen Musiker. Am Ende der Sendung um kurz vor Mitternacht gewinnt eine der beiden. Ob es tatsächlich Spielregeln gibt und wie man als Team gewinnen kann, das ist mir bis heute ein Rätsel.

Der Name der Sendung leitet sich übrigens ab aus dem japanischen Kampfsport wie z.B. „Kendo“. Auch dort tritt das rote Team gegen das weiße an unter dem Namen „Rot-weiße Schlacht (Kohaku Gassen)“. Zwei Farben mit Symbolkraft, da sie die japanische Flagge repräsentieren.*** Für die NHK-Fernsehsendung hat der damalige Produzent das Wörtchen „Lieder (uta)“ einfach in die Mitte eingefügt.

Japanische Grundschüler an einer buddhistischen Tempelglocke in Nara

Mit 108 buddhistischen Glockenschlägen ins neue Jahr

Von kurz vor Mitternacht an schlagen die Glocken der buddhistischen Tempel 108 Mal. Im besten Fall wird die Glocke ein letztes Mal pünktlich um kurz nach Mitternacht, also schon im neuen Jahr, geschlagen. Dem Neuen Jahr wird somit spirituell der Weg geebnet. Manche Tempel veranstalten daraus ein kleines Fest, bei dem auch die Gläubigen selbst die Glocken schlagen dürfen. Warum 108 Mal? – Dazu kursieren verschiedene Theorien.

Einige vertreten den Standpunkt, das damit die 108 Leidenschaften des Menschen gemeint sind, die zum neuen Jahr gereinigt werden sollen. Dabei werden u.a. die menschlichen Sinne mit der Anzahl der Daseinsformen multipliziert. Andere errechnen die Zahl ausgehend von chinesischen Tierkreiszeichen. Ich selbst vertrete die These, dass mit 108 eine gedachte unendliche Zahl gemeint ist, die sich nicht zuletzt einfach sehr gut durch viele Divisoren teilen lässt. Aus einem ähnlichen Grund, warum der Kreis in 360 Gradeinheiten eingeteilt wurde.

Toshikoshi Soba – Das Sich-ins-neue-Jahr-Schlürfen

Zuhause bei der Familie werden derweil „Toshi Koshi Soba“-Nudeln gekocht und sich damit ins neue Jahr geschlürft. Soba Nudeln werden aus Buchweizen hergestellt und sind nicht nur in Japan eine traditionelle und schnelle Speise. Da die Sobanudeln heiß gegessen werden sollen, ist es wichtig, beim essen möglichst viel Luft zur Kühlung einzusaugen. Dadurch entstehen die bekannten Schlürfgeräusche. Beim Nudelessen, egal um welche Art von Nudeln es sich dabei handelt, völlig legitim. Aber Achtung: NUR beim Nudelessen. Schmatzen ist ansonsten in Japan verpönt!

Und was ist jetzt mit Feuerwerk?

Das gibt es in Japan traditionell natürlich auch, aber im Sommer! Das Abfackeln von Feuerwerksraketen oder das Zünden von Böllern widerspräche dem Sinn eines ruhigen Familienfestes. Und deshalb lassen es die Japaner dann erst im Sommer krachen bei den großen organisierten Stadtfeuerwerken. Von ausgebildeten Pyrotechnikern entzündet und in Form gebracht! Laien begnügen sich in Japan mit Wunderkerzen.

*** s.: Dave Lowry: „In the Dojo: A Guide to the Rituals and Etiquette of the Japanese Martial Arts“